Als ich aus dem Zelt krieche, kriecht auch die Sonne über die entfernten Berggipfel. Es ist eisig, aber Kaffee kochen ist nicht, weil Waldbrandgefahr. Ich quetsche meine wohlsortierten Siebensachen in den Rucksack, der Schlafsack muss leider noch feucht in die Kompressionswurstpelle, und laufe den Berg hoch in den Sonnenaufgang.
Ziegen, die auf Frauen starren
Auf meinem Weg bergan findet gerade eine Bergziegenwanderung statt. Aus ihren halbgeschlossenen Lidern sehen sie mich abschätzend an, entscheiden, dass ich keine größere Gefahr darstelle und hüpfen erst weg, als ich mich auf ein paar Meter genähert habe.
Es wird immer heller nach oben hin und irgendwann liegt mir die ganze Insel zu Füßen. Palma sieht ganz klein aus in seiner Bucht. Ich befinde mich jetzt auf dem Cami de s’Arxiduc der teilweise schnurgerade durch die Landschaft führt. An einer riesigen Steinpyramide, ich glaube am Abzweig des Cami Fontanelles bilden die letzten Bäume einen schönen Platz zum Rasten und ich packe meinen Kocher aus und braue einen Kaffee. Der Platz wäre auch hervorragend zum Campen geeignet gewesen, gegebenenfalls ein wenig kalt auf der Höhe. Sogar eine Feuerstelle ist vorhanden.
Danach geht’s weiter auf den Gipfel des Puig des Caragoli. Der Weg führt öfter mal direkt an einer Abbruchkante entlang die kerzengrade nach unten ins Nichts fällt. Meine Knie werden ganz flauschig bei dem Anblick. Aber die Aussicht ist wahnsinnig und das Wetter hat wieder mal mit dem Wetterbericht so gut wie nichts zu tun, denn die Sonne scheint mir warm ins Gesicht.
Nach dem eher unscheinbaren Abzweig nach Deià gehe ich noch ein wenig weiter, beschließe dann aber nicht die große Runde zu gehen und drehe um. Der weithin sichtbare Weg zeigt einige sehr schwindelerregende Stellen für die es mir nach dieser aufregenden Nacht zu früh ist.
Den Abstieg nach Deià sollte man lieber nicht im Dunkeln oder bei Regen gehen, denn er ist ein echter pain in the ass. Etwa sechs Kilometer auf 700 Höhenmeter, ausschließlich Geröll und spitzes Gestein.
Erst kurz vor Deià wird die Landschaft wieder friedlich und ich gehe durch Grasbüschel und verwunschene Olivenhaine.
Ich brauch jetzt irgendeine Stelle, an der ich in Ruhe rumhängen kann. Meine Knochen und meine Gedanken sind angestrengt und ich finde bergan die wunderbare Pension Villa Verde deren überwucherte Terrasse auf den Berg schaut, den ich gerade runtergekommen bin.
Ausatmen
Erstmal Sachen waschen lassen. Das ist zwar teuer, lohnt sich aber. Als ich die zuvor speckigen Klamotten wieder duftend und warm direkt aus dem Trockner wiederbekomme, nachdem ich in Shorts und Unterhemd in der Sonne gewartet habe, bin ich ganz arg glücklich.
Während ich warte, schaue ich mir den Rest der Route an und stelle mit Entsetzen fest, dass nach Soller und bis zum Kloster Lluc erstmal ganz lange nichts kommt. Ach ja. Futsch der Plan vom vor durch die Berge trödeln. Ich bin angestrengt und brauche noch eine Weile, bis ich beschließe einfach mal anzuhalten und noch einen Tag zu bleiben.
Guter Gedanke. Neu sortieren. So wird’s gemacht. Ist ja schließlich Urlaub und ich habe massenweise Zeit. Morgen sieht bestimmt schon alles wieder ganz anders aus.